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Mee­res­spie­gel­an­stieg

Ver­lust von Le­bens­räu­men und Kul­tur­schät­zen

> Der Meeresspiegel ist von der letzten Eiszeit bis heute um etwa 125 Meter gestiegen. Das hat auch natürliche Ursachen. Der durch den Menschen verursachte Treibhauseffekt aber verstärkt diesen Prozess. Wesentliche Folgen sind die Wärmeausdehnung des Wassers und das Abschmelzen von Gletschern. Dadurch könnte der Meeresspiegel in nur 300 Jahren um weitere 5 Meter steigen.

Der Mee­res­spie­gel­an­stieg ist eine der be­droh­lichs­ten Fol­gen des Kli­ma­wan­dels. Wohl kaum je­mand kann sich wirk­lich vor­stel­len, wie die Küs­ten aus­se­hen wer­den, wenn das Was­ser in we­ni­gen Jahr­hun­der­ten um meh­re­re Me­ter steigt. Die Küs­ten ge­hö­ren zu den am dich­tes­ten be­sie­del­ten Re­gio­nen der Erde und sind da­mit be­son­ders an­fäl­lig für die Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels. Dort er­stre­cken sich wich­ti­ge land­wirt­schaft­li­che Flä­chen und Städ­te mit his­to­ri­schen Bau­ten. Wie wird sich ihr Ge­sicht ver­än­dern? Welt­weit ver­su­chen For­scher die Fra­ge zu be­ant­wor­ten, wie schnell und auch wie stark der Kli­ma­wan­del das Was­ser stei­gen las­sen wird. Da­bei müs­sen sie be­rück­sich­ti­gen, dass nicht al­lein der men­schen­ge­mach­te Treib­haus­ef­fekt, son­dern auch na­tür­li­che Pro­zes­se die Höhe des Was­ser­stands be­ein­flus­sen. Fach­leu­te un­ter­schei­den zwi­schen:

  • eustatischen, klimatisch bedingten, global wirksamen Ursachen, die zu einer Zunahme des Wasservolumens in den Weltozeanen führen (so steigt der Meeresspiegel, wenn nach Eiszeiten die großen Gletscher schmelzen);
  • isostatischen, meist tektonisch bedingten Ursachen, die sich vor allem regional auswirken (dazu gehören etwa die Eispanzer, die sich während der Eiszeiten bilden. Durch ihr hohes Gewicht senken sie die Erdkruste in bestimmten Regionen ab, wodurch der Meeresspiegel relativ zum Land ansteigt. Taut das Eis, hebt sich die Landmasse wieder – ein Phänomen, das noch heute an der skandinavischen Landmasse zu beobachten ist).

 

Der Mee­res­spie­gel un­ter­liegt star­ken Schwan­kun­gen

Die Höhe des Mee­res­spie­gels kann sich in­ner­halb von Jahr­hun­der­ten im 10-Me­ter-Be­reich ver­än­dern und über Jahr­mil­lio­nen durch­aus um mehr als 200 Me­ter schwan­ken. Durch die Eis­zei­ten nahm die Häu­fig­keit und In­ten­si­tät die­ser Schwan­kun­gen wäh­rend der letz­ten 3 Mil­lio­nen Jah­re zu: Wäh­rend der Kalt­zei­ten bil­de­ten sich auf dem Fest­land in hö­he­ren Brei­ten gro­ße Eis­mas­sen, so­dass den Ozea­nen Was­ser ent­zo­gen wur­de. Der Mee­res­spie­gel sank glo­bal dras­tisch ab. Wäh­rend der Warm­zei­ten schmol­zen die kon­ti­nen­ta­len Eis­kap­pen ab und der Mee­res­spie­gel stieg wie­der stark an. Die letz­te Warm­zeit, die mit der heu­ti­gen Kli­ma­pe­ri­ode ver­gleich­bar ist, gab es vor 130 000 bis 118 000 Jah­ren. Da­mals lag der Mee­res­spie­gel rund 4 bis 6 Me­ter hö­her als heu­te. Da­nach folg­te ein un­re­gel­mä­ßi­ger Über­gang in die letz­te Kalt­zeit – so war die Erde vor 26 000 bis 20 000 Jah­ren zum letz­ten Mal ma­xi­mal ver­eist. Da­mals lag der Mee­res­spie­gel 121 bis 125 Me­ter tie­fer als heu­te. Dann setz­te die nächs­te Warm­pe­ri­ode ein. Der Mee­res­spie­gel stieg da­bei re­la­tiv gleich­mä­ßig an. Hin und wie­der aber gab es Pha­sen ei­nes be­schleu­nig­ten An­stiegs, die durch so­ge­nann­te Schmelz­was­ser­pul­se aus­ge­löst wur­den. Ur­sa­che da­für war das Kal­ben gro­ßer Glet­scher­mas­sen in der Ant­ark­tis und in den ver­eis­ten Ge­bie­ten auf der Nord­halb­ku­gel. In an­de­ren Fäl­len lie­fen rie­si­ge Stau­se­en aus, die sich beim Ab­schmel­zen vor den zu­rück­wei­chen­den In­land­glet­schern ge­bil­det hat­ten. Die­ser ver­gleichs­wei­se star­ke An­stieg des Mee­res­spie­gels dau­er­te bis vor etwa 6000 Jah­ren an. Seit­dem hat er sich mit Schwan­kun­gen von we­ni­gen Zen­ti­me­tern pro Jahr­hun­dert nur ge­ring­fü­gig ver­än­dert.

Der Meeresspiegelanstieg in den letzten Jahrtausenden
Bis vor 6.000 Jahren stieg der Meeresspiegel pro Jahrhundert um durchschnittlich etwa 80 Zentimeter, wobei dieser Anstieg teilweise sprunghaft verlief. So gab es mindes­tens zwei Perioden von etwa 300 Jahren, in denen der Meeresspiegel aufgrund sogenannter Schmelzwasserpulse um 5 Meter pro Jahrhundert stieg. © maribus

An­stieg in kur­zer Zeit

Ge­mes­sen an den ge­rin­gen Ver­än­de­run­gen wäh­rend der letz­ten 6000 Jah­re ist der glo­ba­le An­stieg des Mee­res­spie­gels um 18 Zen­ti­me­ter im ver­gan­ge­nen Jahr­hun­dert be­acht­lich. Al­lein im letz­ten Jahr­zehnt wa­ren es 3,2 Zen­ti­me­ter. Das er­ga­ben Pe­gel­mes­sun­gen an der Küs­te im ver­gan­ge­nen Jahr­hun­dert und zu­sätz­lich seit 1993 von Sa­tel­li­ten durch­ge­führ­te Mes­sun­gen der Höhe von Land- und Was­ser­ober­flä­chen welt­weit, der so­ge­nann­ten Sa­tel­li­ten­al­ti­me­trie. Zwar sind die­se Zeit­räu­me kurz, den­noch lässt sich an den Mess­wer­ten eine deut­li­che Zu­nah­me der Mee­res­spie­gel­an­stiegs­ra­ten be­ob­ach­ten. Wie stark ein­zel­ne Fak­to­ren dazu bei­tra­gen, wird von Fach­leu­ten un­ter­schied­lich be­ur­teilt:

  • 15 bis 50 Prozent des Meeresspiegelanstiegs gehen auf die temperaturbedingte Ausdehnung des Meerwassers zurück;
  • 25 bis 45 Prozent auf das Abschmelzen von Gebirgsglet­schern außerhalb der Polarregionen;
  • 15 bis 40 Prozent auf das Abschmelzen der Eiskappen auf Grönland und in der Antarktis.

Mo­del­le ge­ben Aus­kunft

Aus den Mess­da­ten kön­nen mit­hil­fe von Mo­dell­rech­nun­gen Vor­her­sa­gen über den künf­ti­gen Mee­res­spie­gel­an­stieg ge­trof­fen wer­den – so wie bei­spiels­wei­se im letz­ten Be­richt des Welt­kli­ma­ra­tes (In­ter­go­vern­men­tal Pa­nel on Cli­ma­te Chan­ge, IPCC) aus dem Jahr 2007. Die­ses Werk ist der zur­zeit ak­tu­ells­te welt­wei­te Kli­ma­be­richt. Er sagt bis zum Jahr 2100 ei­nen glo­ba­len Mee­res­spie­gel­an­stieg um bis zu 59 Zen­ti­me­ter vor­aus. Da­bei ist nicht be­rück­sich­tigt, dass die gro­ßen In­land­eis­mas­sen der Erde (im We­sent­li­chen die Eis­mas­sen auf der In­sel Grön­land und in der Ant­ark­tis) durch die glo­ba­le Er­wär­mung stär­ker ab­schmel­zen könn­ten. Al­ler­dings zei­gen ak­tu­el­le Sa­tel­li­ten­mes­sun­gen von den Rän­dern des grön­län­di­schen Eis­schil­des, der West­ant­ark­tis und der Ge­birgs­glet­scher au­ßer­halb der Po­lar­re­gio­nen, dass die Höhe der Glet­scher und da­mit das Eis­vo­lu­men schnel­ler ab­nimmt, als Fach­leu­te bis­her an­ge­nom­men ha­ben. Die­se Da­ten und auch Mo­dell­rech­nun­gen las­sen er­war­ten, dass der Mee­res­spie­gel bis zum Ende die­ses Jahr­hun­derts so­gar um mehr als 80, even­tu­ell so­gar bis zu 180 Zen­ti­me­ter steigt. Das Ab­schmel­zen der ant­ark­ti­schen und grön­län­di­schen Glet­scher dürf­te sich noch bis weit über das nächs­te Jahr­hun­dert hin­aus ver­stär­ken. Die üb­ri­gen Hoch­ge­birgs­glet­scher wer­den dann be­reits ab­ge­schmol­zen sein und nicht mehr zum Mee­res­spie­gel­an­stieg bei­tra­gen. Der wis­sen­schaft­li­che Bei­rat der deut­schen Bun­des­re­gie­rung pro­gnos­ti­ziert ei­nen Mee­res­spie­gel­an­stieg von 2,5 bis 5,1 Me­tern bis zum Jahr 2300. Die Wer­te lie­gen vor al­lem des­halb so weit aus­ein­an­der, weil das Kli­ma­sys­tem trä­ge ist und sich nicht gleich­mä­ßig, li­ne­ar, ver­än­dert. Eine Pro­gno­se ist des­halb un­si­cher. In je­dem Fall wird sich der An­stieg des Mee­res­spie­gels zu­nächst lang­sam be­schleu­ni­gen. Legt man die heu­ti­ge An­stiegs­ra­te zu­grun­de, wür­de sich bis zum Jahr 2300 ein Mee­res­spie­gel­an­stieg von nur knapp 1 Me­ter er­ge­ben. Der heu­ti­ge An­stieg ist je­doch eine Re­ak­ti­on auf eine durch­schnitt­li­che glo­ba­le Er­wär­mung von ge­ra­de ein­mal 0,7 Grad Cel­si­us wäh­rend der ver­gan­ge­nen 30 Jah­re. Der IPCC-Be­richt aber sieht für die Zu­kunft eine deut­lich grö­ße­re Tem­pe­ra­tur­er­hö­hung um 2 bis 3 Grad Cel­si­us vor­aus. Da­mit könn­te der Mee­res­spie­gel welt­weit künf­tig tat­säch­lich so stark stei­gen, wie vom wis­sen­schaft­li­chen Bei­rat der Bun­des­re­gie­rung vor­aus­ge­sagt.

Wie bei den Kli­ma­schwan­kun­gen in der jün­ge­ren Erd­ge­schich­te wer­den sich auch bei der ge­ra­de statt­fin­den­den glo­ba­len Er­wär­mung die Tem­pe­ra­tu­ren in den Po­lar­ge­bie­ten stär­ker als im glo­ba­len Mit­tel er­hö­hen und da­mit den Mee­res­spie­gel­an­stieg ent­schei­dend be­ein­flus­sen. Die stär­­kere Er­wär­mung in hö­he­ren Brei­ten wird durch die Ab­nah­me der Al­be­do, der Rück­strah­lung des Son­nen­lichts, ver­ur­sacht: In dem Maße wie die hel­len, stark re­flek­tie­ren­den Meer­eis- und Glet­scher­flä­chen schrump­fen, deh­nen sich die dunk­len Bo­den- und Mee­res­ober­flä­chen aus, die das Son­nen­licht deut­lich stär­ker ab­sor­bie­ren. Soll­ten die Fest­land­eis­mas­sen in Grön­land und der West­ant­ark­tis wei­test­ge­hend ab­schmel­zen, könn­te der Mee­res­spie­gel im Lau­fe von 1000 Jah­ren im Ex­trem­fall so­gar um 20 Me­ter stei­gen. Vor al­lem in der West­ant­ark­tis wer­den die rand­li­chen Glet­scher durch Fließ­vor­gän­ge in­sta­bil, so­dass sie Druck auf die vor­ge­la­ger­ten, auf dem Meer ru­hen­den Schelf­eis­mas­sen aus­üben. Das mit dem Fest­land ver­bun­de­ne Schelf­eis kann da­durch teil­wei­se aus sei­ner kon­ti­nen­ta­len Ver­an­ke­rung bre­chen. In letz­ter Kon­se­quenz ver­stärkt sich das Kal­ben der Glet­scher, weil das Hin­der­nis Schelf­eis fehlt. Dar­über hin­aus kön­nen selbst bei ge­rin­gem Mee­res­spie­gel­an­stieg rand­li­che Fest­land­eis­mas­sen in gro­ßen Men­gen ab­bre­chen, weil sie vom stei­gen­den Was­ser un­ter­spült wer­den.

Der Meeresspiegel wird bis zum Ende dieses Jahrhunderts deutlich steigen.
Der Meeresspiegel wird bis zum Ende dieses Jahrhunderts deutlich steigen. Unklar ist, wie stark dieser Anstieg ausfällt. Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) erwartet für dieses Jahrhundert einen Anstieg von bis zu knapp einem Meter (unten). Andere Forscher halten sogar einen Anstieg um bis zu 180 Zentimeter für möglich (oben). Da in beiden Fällen mehrere Studien und Szenarien zugrunde gelegt wurden, weisen die Ergebniswerte der Prognosen eine gewisse Bandbreite auf. In jedem Fall summieren sich das Abschmelzen der Gletscher und die Ausdehnung des Wassers aufgrund der Erderwärmung auf. Die Rekordwerte werden für den Fall erwartet, dass sich das Abschmelzen der antarktischen und grönländischen Eispanzer verstärkt. © maribus (nach Vermeer und Rahmstorf, 2009; IPCC 2007, Church et al., 2008)